Vor 80 Jahren, kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, führte ein KZ Todesmarsch durch den Ort
Freitag, 25. April 1945: in wenigen Tagen wird der 2. Weltkrieg zu Ende sein, aber noch ist alles ungewiss, vor den näher rückenden Amerikanern halten sich Angst und Hoffnung die Waage. Die Bevölkerung von Arnstorf und der Umgebung werden auf brutale und erschreckende Weise Zeugen unendlicher Grausamkeit: ein „Zug des Grauens“ -, einer der Todesmärsche aus dem Konzentrationslager Flossenbürg - geht durch Arnstorf. 800 Gefangene, geschunden und bis zum Skelett abgemagert, bewacht und angeführt von SS-Soldaten, werden wie eine Herde Vieh durch den Ort getrieben. Markträtin Maria Bellmann hat im Rahmen einer Marktratssitzung vorgebracht, dass dieses schreckliche Ereignis nicht in Vergessenheit geraten dürfe. „Es war so, dass mich nach der Bundestagswahl angesichts des Zuwachses für die AfD eine Bürgerin angesprochen und gesagt hat, ihr Vater habe ihr immer wieder von diesem Todesmarsch erzählt. Auch mir haben einige inzwischen sehr alte in Arnstorf gebürtige Personen darüber erzählt. Das Anliegen dieser Bürgerin und auch mein Anliegen ist es, dass die jungen Leute von heute erfahren, was rechtsgerichtete Diktaturen anrichten können. Die jungen Leute sollen nicht glauben, dass das, was sie im Geschichtsunterricht über den zweiten Weltkrieg erfahren, alles weit weg in Dachau und Auschwitz passiert ist, sondern eben auch hier in Arnstorf“, beschreibt sie den Grund für die Initiative. Für einen Zeitungsbericht zu diesem Anliegen und gegen das Vergessen hat Josef Haberl Dokumente aus dem Marktarchiv zur Verfügung gestellt und auch von persönlichen Berichten von Zeitzeugen, unter anderem von seiner Schwiegermutter, erzählt. Ein Dokument des International Tracing Service (ITS) in Bad Arolsen (Internationales Zentrum über NS-Opfer - Arolsen Archives) berichtet über den Todesmarsch aus dem Konzentrationslager Flossenbürg. „Am 24. April 1945 marschierten 900 Gefangenen von Plattling ab und trafen 10 Kilometer hinter Simbach mit dem Kommando Ganacker zusammen. Gemeinsam setzten sie ihren Marsch fort und wurden in (Traunstein) Surberg befreit“, ist darin festgehalten. Die Gefangenen waren zuvor wie Vieh in Eisenbahnzügen – oftmals in offenen Güterwagen – abtransportiert vom KZ abtransportiert und nach Plattling verfrachtet worden. Am 25. April kamen 800 Gefangene in Arnstorf an. „72 dieser Opfer haben allein im Pfarrhofstadl übernachtet“, heißt es in einem Brief des damaligen Pfarrers Busler an das bischöfliche Ordinariat in Passau. Ein Zeitzeuge berichtete Josef Haberl von der Unterbringung einer großen Gruppe im Schlossstadl. „Er hat einen Waschzuber voller Kartoffeln gekocht, die er an die Gefangenen verteilen wollte. Es wurde ihm nicht erlaubt und angedroht, ihn vors Kriegsgericht zu stellen. Der damalige Schlossherr und seine Mutter haben dann erreicht, dass sie die Kartoffeln verteilen durfte, ‚aber nur an Deutsche unter den Gefangenen‘. Am anderen Morgen, so berichtet Josef Haberl weiter, „wurden die Männer über die Kirchenstraße weiter getrieben, Frauen warfen Brot aus den Fenstern, die Männer durften aber nichts aufheben, die SS-ler haben in die Luft geschossen, um das zu unterbringen“. Allein 11 Gefangene mussten in Arnstorf ihr Leben lassen, sie wurden erschossen oder erschlagen. Auf dem Weitermarsch kam bei Neukirchen einem Bauern mit Fuhrwerk der Zug entgegen. Er sah, wie gerade ein Gefangener zusammenbrach und wollte ihm aufhelfen. Wurde aber von SS-Leuten daran gehindert, der Kz-Gefangene wurde brutal in den Straßengraben gestoßen. Auf Anordnung der Bewacher wurden die Toten im sogenannten Draxlholz in einem Bombentrichter verscharrt, später auf Anordnung der Amerikaner wieder ausgegraben und auf dem Arnstorfer Friedhof beigesetzt. Am 14. Mai 1958 wurden die elf KZ-Toten aus der KZ-Grabstätte in Arnstorf exhumiert und auf dem KZ-Ehrenfriedhof Flossenbürg endgültig bestattet. Zwei bei Neukirchen getötete Gefangene wurden in Hainberg begraben. Unter unerträglichen Bedingungen und brutalen Misshandlungen wurden die Männer weiter getrieben, für den 27.April sind im Dokument der ITS unter Schönau 10 Tote eingetragen. Über Eggenfelden (28. April), Reischach (29. April), Neuötting (30. April), Tacherting (1. Mai) kam dieser Konvoi mit 300 Gefangenen in Trostberg an. Noch einmal wurden die Häftlinge zum Weitermarsch gezwungen, nun gemeinsam mit einer weiteren Gruppe von 250 Gefangenen. An einem Waldrand nahe Surberg wurden 66 KZ-Häftlinge von ihren SS-Wachmannschaften erschossen. „Liberated here“ – befreit hier“ ist für den 2. Mai 1945 in Surberg nahe Traunstein die Befreiung der Gefangenen durch die Amerikaner vermerkt.
(Quelle: Rottaler Anzeiger, Ausgabe vom 25.4.2025, Autorin: Christa Machtl)